„Wehe denen, die Frauen weihen wollen„, titelte vor einiger Zeit die maedchenmannschaft. Für die, die nicht selbst dem Link folgen wollen: In dem Artikel ging es darum, daß der Vatikan nun den Versuch, Frauen zu katholischen Priesterinnen zu ordinieren, auf dieselbe Stufe wie sexualisierte Kindesmißhandlung stellt 1, sowie um den Protest katholischer Frauen in England, die gerne auch Priesterinnen hätten.
Was hat das mit mir und mit dieser Seite zu schaffen? Primär nichts, aber es macht mich einmal mehr auf einige populäre Verwechslungen aufmerksam, die sehr viel mit meinem Thema zu tun haben. Denn: wenn mal wieder Nachrichten durchs Netz schwirren, die entweder mit Frauen und Religion oder mit Homosexualität und Religion zu tun haben, dann steht die Religion meistens als Gegner da, dann sind es die Horte extrem konservativer Vorstellungen, die Religion gepachtet zu haben scheinen. Entsprechend dachte ich mir bei dieser Nachricht auch: „Schon wieder nur miese Nachrichten über Religion!“In guter marxistischer Tradition, scheint mir, wird in den meisten linken, damit auch feministischen und queeren Zusammenhängen Religion, Spiritualität und überhaupt alles, was „transzendent“ riecht, als antiemanzipatorisch, als Mittel zur Ruhigstellung von Menschen, die ansonsten vielleicht gegen das unerträgliche Diesseits aufbegehren würden, als Hort konservativer Vorstellungen abgelehnt. Und auch Schwule und Lesben scheinen ja zum großen Teil Religion als etwas, was ihnen nur „Schuld und Ausgrenzung beschert“2, für sich abzulehnen. Dabei wird jedoch gleichgesetzt: Spiritualität = Religion = Kirche. Drei total verschiedene Paar Schuhe!
Ein Teil der Misere ist von spiritueller Seite, was die Hexenszene angeht, wahrscheinlich auch hausgemacht. Ich teile in dieser Hinsicht Distels folgenden Eindruck:
Mein Eindruck ist es, dass die moderne Hexenszene und die naturspirituelle Szene und die Frauenspiri-Szene insofern rückständig sind (und vielleicht auch schon vor Jahren den Anschluss an aktuelle feministische Diskussionen verloren haben), dass kaum irgendwo erkennbar ist, dass sich eine Gruppe mit dieser Frage [die Rede ist von uneindeutigen Geschlechtsidentitäten, Transidentität und queer] auseinandergesetzt hat. Es ist auch kaum zu verzeichnen, jedenfalls dort wo ich so mich umtue, dass in der Spiri-Frauen-Szene eine ähnliche Bereicherung durch vielfältigste Entwürfe und Politiken von Queer-Seite stattfand wie in der feministischen Ecke. Vielleicht haben die dekonstruktiven Feministinnen, Queers und TransFrauen die spirituelle Frauenbewegung auch vor vielen Jahren schon als hoffnungslos antiquiert abgeschrieben und sind abgezogen zu neuen Orten, bzw. dort geblieben wo Allianzen möglich waren – und wir schmoren so unbemerkt im eigenen Saft, lesen die ollen Schinken von Heide Göttner-Abendroth und hängen uns wie in den 70er Jahren Göttinnenanhänger an den Hals und fühlen uns avantgardistisch. Während fortschrittlichere Kräfte ganz woanders sind.3
Was ich mir eigentlich wünsche, wäre:
- daß auch emanzipative Medien über positive Beispiele aus diesem Bereich mal berichten
- daß autonom gelebte, selbst gestaltete Spiritualität überhaupt als Option wahrgenommen wird
- daß Religion und Spiritualität nicht den Fundis und Vatikanen dieser Welt überlassen werden, aber auch nicht den kommerziellen Esoanbietern.
Nur: Was tun? Außer beharrlich den Spagat zu wagen zwischen autonomer Spiritualität, dem Beharren auf einer Weltsicht, die mehr als das Klotzmaterialistische zuläßt, und dem kritischen Hinterfragen und einem freundschaftlichen Verhältnis zur Wissenschaft fällt mir wenig ein.
So, genug gemeckert.
- von „Mißbrauch“ zu reden, klingt für mich, als gäbe es einen korrekten Gebrauch von Kindern ↩
- “Ich glaube schon”, Siegessäule 12/2006, S. 13-21 ↩
- Doppelherz – oder: Zweier Herrinnen Dienerin ↩