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Tee mit Milch, Teil I: Über Feminität und die Rede von männlichen und weiblichen Anteilen

Ich lese gerade – mit dem Ziel einer Rezension – nochmal ein Buch, dem ich ausgesprochen ambivalent gegenüberstehe, nämlich Christopher Penzcaks Gay Witchcraft. Und dabei bin ich darauf gestoßen, daß ich eins klarkriegen will: Warum ich mich als queer verorte und das für mich nicht deckungsgleich mit „LGBT“ ist und schon gar nicht mit der in der Mainstream-Homo-Szene verbreiteten hegemonialen Position.

Penzcak vertritt die für mich problematische Ansicht, daß Homosexuelle einfach „eine andere Energie“ haben (S. XV), und daß jeder Mensch „männliche und weibliche Energien“ hat (S.4). Ich will jetzt noch nicht das ganze Buch rezensieren, aber das ist ein Punkt, an dem ich mal einhaken und meinen persönlichen Senf dazu loswerden will. Denn für mich persönlich taugt das mit der „männlichen“ und „weiblichen“ Energie einfach nicht (mehr) als Paradigma, und wenn das für manche Menschen taugt, so ist es doch eine Art (von vielen möglichen), die Welt zu interpretieren, aber keine universelle Wahrheit.Daß für mich die Rede von „männlichen und weiblichen Anteilen“ der Psyche oder von „männlichen und weiblichen Energien“ nicht taugt, geht unmittelbar zurück auf meine frustrierende Auseinandersetzung mit der Maskulin-feminin-Unterscheidung in lesbischen Zusammenhängen.

Feminität in lesbischen Kontexten… und ich

Feminität wird nach wie vor in lesbischen und queeren Zusammenhängen abgewertet. Als ich mein Coming Out hatte, wurde in Coming Out-Büchern noch über Kurzhaarschnitte, das unbeabsichtigte Männlich-gelesen-werden und Abneigung gegen oder Unfähigkeit zu weiblich konnotierten Arbeiten geschrieben. Und leider bekomme ich immer noch mit, wie in queeren Kreisen maskulines Verhalten und Aussehen als toll und transgressiv gefeiert wird, während feminin gelesenes Aussehen und Verhalten marginalisiert wird.

Wohlgemerkt: Das ist nicht die „Schuld“ von Lesben und queeren Menschen. Was sich hier manifestiert, sind schlicht und ergreifend heteronormative Muster, die die gesamte Gesellschaft durchziehen und sich in diesen gesellschaftlichen Verwerfungszonen auf besondere Weise zeigen.

Trotzdem war Feminität immer unverzichtbar für mich. Davon abgesehen, daß ich auch dann als feminin gelesen werde, wenn ich mich für meine Verhältnisse maskulin inszeniere, war meine Feminität immer empowernd. Und es war nie das mögliche maskuline Begehren, das Feminität für mich unverzichtbar und schön machte – im Gegenteil, ständig dieses maskuline Begehren an mich rangekippt zu bekommen, war und ist ein Problem, das es für mich auch schwierig macht, meine Feminität wirklich zu lieben und zu genießen. Denn – ich erwidere es nicht. (Dazu siehe unten.)

Mit Begehrt-werden hat meine Liebe zur Feminität nichts zu tun: Eher damit, mich vollkommen unabhängig von anderen schön und stark, elegant und kultiviert zu fühlen. Mein Leitbild war nie die Dame, der die Männer zu Füßen liegen, sondern eher die Operndiva, die souverän die Bühne beherrscht; später vielleicht die Actionheldin oder die schwertschwingende Heroine eines Eastern-Films. Auch die letzteren kann ich nämlich als feminin in Anspruch nehmen; nur weil sie physische Stärke zeigen und Gewalt ausüben, sind sie noch nicht maskulin.

Und es ist hochgradig empowernd für mich, die Freude an meinen femininen – bzw. so wahrgenommenen – Eigenschaften und Fähigkeiten zu kultivieren: Sei es das Sopranregister meiner Stimme, seien es meine Rundungen oder die Arbeit mit Textilien.

Von Bohrmaschinen und Lippenstift, oder: Was ist eigentlich dieses „feminin“ und dieses „maskulin“?

In jener Zeit, als ich anfing, mich mit Maskulinität und Feminität auseinanderzusetzen, stand ich zwischen zwei Szenen: einerseits Gothic – und andererseits der lesbischen Szene. Und dann gab es da noch die Schnittmenge.

Gerade bei den Gothiclesben wurde (in Reaktion auf den lesbischen Mainstream) eine recht hegemoniale Art von Feminität hochgehalten; etwas, womit ich nicht konform gehen konnte und wollte und wo ich aneckte.

Andererseits wurden in der lesbischen Szene vor allem mit The L Word femininere Lesben salonfähig – dann aber wieder in einer Form von Feminität, mit der ich wiederum nichts anfangen konnte; und vor allem dominierte ein Verständnis von Feminität und Maskulinität, die diese gender-Inszenierungen entweder als reine Stylingentscheidung verstanden (vor allem bei Feminität) oder aber eine Wesenhaftigkeit unterstellten, mit der ich auch nichts anfangen konnte.

Ich begann, diese Begrifflichkeiten zu zerpflücken: Was genau war an bestimmten Tätigkeiten, etwa dem Bedienen einer Bohrmaschine, maskulin oder feminin? Sollte es mich weniger feminin machen, wenn ich Spaß daran hatte, mein Fahrrad selbst zu reparieren? Wenn ich stolz darauf war, selbst Hardware in meinen Computer einzubauen? Warum sollte eine butch nicht genau denselben knallroten Lippenstift tragen können wie ich? Konnte ich mich als feminin verorten, wenn ich Stiefel mit fetten Stahlkappen trug? Armbänder mit Killernieten? Wenn ich Metal hörte? Andererseits sorgten meine Liebe zu Röcken und Make up, meine langen Haare, meine Figur immer dafür, daß ich als eindeutig feminin gelesen wurde. Klappe auf, Schublade zu: die „maskulinen“ Elemente interessierten nicht, sie wurden ignoriert, für „sowohl als auch“ und Mehrdimensionalität war kein Platz.

Ich versuchte, diese Begriffe zu verweigern, und trotzdem fühlte ich mich marginalisiert und zerrissen. Mein Ausweg hieß Rückzug aus lesbischen Zusammenhängen – und im Spirituellen: Hinwendung zu männlichen Gottheiten (zusätzlich zu den Göttinnen, nicht anstatt von Göttinnen). Die grundsätzliche Weigerung, irgendwelche Interessen, Eigenschaften, Fähigkeiten und Tätigkeiten per se als „männlich“ oder „weiblich“ zu klassifizieren (zu unterscheiden von: vorhandene, kulturell bedingte Konnotationen festzustellen, wenn es für eine Debatte sinnvoll erscheint), ist geblieben – und für mich hilfreich. Es ist für mich sehr befreiend, wenn nicht alles mit einem gender-Etikett versehen wird.

Das Ding mit femmeness und Begehren

Für mich kommt als weitere Komplikation mein Begehren dazu: Begehren, das sich auf Feminität und Weiblichkeit richtet. Begehren, das nicht entlang von Gender-Polarität funktioniert – und sich trotzdem dem „aber ich bin doch lesbisch, weil ich auf richtige (einseinself!!1!!) Frauen stehe (und nicht auf maskuline Frauen)!“ verweigerte. Daß mein Begehren anders verdrahtet ist, heißt nicht, daß an maskulin-feminin-gestricktem etwas falsch ist: nur daß meins offensichtlich so ein vollkommener blinder Fleck zu sein scheint und scheinbar so viele davon ausgehen, alle Begehren seien gender-polar verdrahtet, daran leide ich nach wie vor.

Daß femmes auch unabhängig von ihren butch- oder Transmann-Partner_innen wahrgenommen werden und als eigenständige Identität wahrgenommen werden, ist eine Entwicklung, die (meiner Wahrnehmung nach) erst vor ein paar Jahren angefangen hat und noch immer in den Anfängen steckt. Für mich war es noch um 2009/10 gar nicht selbstverständlich, mich angesichts meines Begehrens und angesichts der Furcht, schon wieder „maskuline“ Eigenschaften, die mir wichtig waren, ausgeblendet zu sehen, als femme zu verorten.

Zu dem Zeitpunkt, als ich anfing, mich am gängigen Verständnis von Polaritäten, vor allem geschlechtlichen, zu reiben, lag die oben erwähnte Zeit der Dekonstruktion von „männlich“ und „weiblich“ schon länger hinter mir – aber hinter die Entscheidung, an möglichst wenige Eigenschaften, Tätigkeiten und Interessen eine gender-Assoziation zu hängen und solche, wenn vorhanden, zu hinterfragen, wollte ich nie wieder zurückgehen.

„Maskulin“ und „feminin“ waren mir im Spirituellen, als hätte eins Milch in Tee gekippt und umgerührt: unmöglich auseinanderzudividieren, was was ist; und erst recht unmöglich, die beiden zu trennen, damit sie erneut zusammengerührt werden könnten. Die Rede von „männlichen und weiblichen Energien“ ist für mich seit dieser Zeit untauglich. Warum nicht dahinter zurück gehen und Dinge anhand von Eigenschaften wie fein oder grob, aggressiv, besänftigend oder analytisch, weich, fest, elastisch, warm, eisig, heiß beschreiben?

Was das für Auswirkungen auf mein Verständnis von queer hat – dazu gibt’s was im zweiten Teil.

3 Comments

  1. Joy Böhm 30. November 2013

    Yay und nochmals yay. Sehr, sehr (!) guter Artikel.

  2. Bodecea 2. Dezember 2013

    Ja, das mit den „männlichen“ und „weiblichen“ Eigenschaften geht mir auch schon ewig auf den Keks… nicht zuletzt, weil da ja auch immer der normative Ansprucgh drinsteckt; Weil du … bist, musst du auch … sein und nicht …

  3. caroona 5. Dezember 2013

    geht mir sehr ähnlich, wobei ich noch quasi eine genderkonfliktarme biographie habe. aber ich ecke doch immer wieder an, oder vielmehr ecken anderen an mir an und kommen nicht damit zurecht, dass ich diese kategorien für mich als irrelevant und mir fremd halte

Kommentare sind geschlossen.

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