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Kategorie: Rezensionen

Gelesen: Christopher Penczak – Gay Witchcraft

Dieses Buch lag schon lange auf meinem „zu rezensieren“-Stapel. Die Diskussionen, die ich in der letzten Zeit geführt habe, motivieren mich jetzt, diese überfällige Rezension fertigzustellen.

Ich weiß nicht mehr, mit welchen Motiven ich dieses Buch vor einigen Jahren gekauft habe. Drum herum kam ich kaum, wollte ich wenigstens ansatzweise einen Überblick über die überschaubare Literatur zu diesem Gebiet „LGBTQ und Hexen/Heidentum“ haben. Also ist hier mein Senf zu diesem Buch.

Titelbild von Christopher Penczak: Gay Witchcraft
Titelbild von Christopher Penczak: Gay Witchcraft

Penczak hat ein Anleitungsbuch über Hexenkunst geschrieben - komplett von den Grundlagen an, mit Meditationen, Korrespondenzen, einer Liste homo-freundlicher Gottheiten und massenweise Ritualen und Rezepten.

Im ersten Teil seines Buches geht es um die Frage: „Was ist eigentlich heute eine Hexe?", um die Geschichte des Hexentums und um queer-positive Mythologie.
Der zweite Teil ist eine Einführung in das „Hexenhandwerk“ - Meditation, Gottheiten, Krafttiere, Altäre und Rituale. Penzcak betrachtet das Zuhause und den Körper einer Hexe als „Tempel“, als Ort, der „dazu geschaffen ist, eine Energie zu halten, die einen bestimmten geistigen Zustand nährt, eine Verbindung zum Göttlichen“.1.
Teil III widmet sich praktischen Anwendungen von Magie. Liebeszauber und Sex-Zaubern ist jeweils ein Kapitel gewidmet, Sexualmagie wird ausführlich erklärt (übrigens auf Arten, die meiner Meinung nach auch für heterosexuelle Paare tauglich ist), ein Kapitel befaßt sich mit heilender Magie, ein weiteres mit Jahreskreisfesten und eines mit Übergangsriten. Das Schlußkapitel wendet sich dann der Interaktion sowohl mit der heidnischen Community als auch der Gesamtgesellschaft zu.

Das Buch ist - bis auf ein paar Rituale, die mit Sexualpartner_in gedacht sind, und einige Gruppenrituale - auf solitary pagans ausgerichtet.

Penczak richtet sich primär an Hexen bzw. an Hexenkunst interessierte Menschen.

  1. „created to hold energy that will nourish a certain state of mind, a connection to the divine“, S. 87

Gelesen: Urs Mattmann, Coming In. Spiritualität für Schwule und Lesben

Religion, gerade in christlichen Ausprägungen, ist für viele Schwule und Lesben ein rotes Tuch. Vielen erscheint es als die einzige vernünftige Wahl, mit dem Coming Out alle Religiosität über Bord zu werfen und sich fortan einem diesseitig-hedonistischen Leben ohne spirituelle Dimension zu verschreiben. Abgesehen davon, daß das, wie Christian de la Huerta (sein Buch wurde hier bereits rezensiert) es formuliert, bedeutet, das Kind mit dem Taufwasser auszuschütten, übersieht man in dieser Haltung leicht, daß viele christliche Geistliche mittlerweile keine theologische Rechtfertigung für Homophobie mehr sehen.
Dies ist die Voraussetzung, auf der Urs Mattmann, selbst schwuler Geistlicher und Therapeut, seine "Spiritualität für Schwule und Lesben" aufbaut. Um die theologische Rechtfertigung geht es in seinem Buch nicht. Für Mattmann ist Homosexualität ein Potential, mit dem "besondere Berufungen, Qualitäten und Aufgaben für homosexuelle Menschen in ihrer Entfaltung und am Dienst an der Welt impliziert sind". Ihm geht es um eine gelebte Spiritualität:

In den Gottesdiensten der Lesbischen und Schwulen Basiskirche in Basel (LSBK), die ich seit Jahren mitgestalte und in den Seminaren und Retraitenwochen meines "Projektes" C-Queer - Schwule und Lesben in christlicher Spiritualität kommt mir von lesbischen Frauen und schwulen Männern eine Sehnsucht entgegen. Eine Sehnsucht von Menschen, die ihre Sexualität bejahen, eine relevante Form von Glauben suchen und einen spirituellen Weg gehen wollen. (S. 15)

In zwölf Kapiteln entfaltet sich ein Themenspektrum von Homosexualität als Potenzial über "Coming Out als Sakrament" und den Umgang mit spezifisch schwullesbischen Verletzungen (vor allem durch Homophobie), gelebte Sexualität bis hin zu "Coming In" (meditative oder mystische Selbstbegegnung, als Gelegenheit, dem "Höheren Selbst" Raum zu geben und dadurch Rollenzwänge und destruktive Lebensmuster loszulassen), zum "Christusweg für Schwule und Lesben" und zu Formen spiritueller Gemeinschaften (auch dieses Kapitel ist sehr christentums-spezifisch und so vielleicht noch für Anhänger_innen anderer etablierter Religionen brauchbar - wer seine Spiritualität außerhalb etablierter Strukturen lebt, wird selbst herausfinden müssen, welche Optionen es in puncto Gemeinschaft gibt).

Gelesen: Kimeron N. Hardin, The Gay & Lesbian Self Esteem Book

Selbstwertgefühl, könnte man meinen, ist eigentlich für fast jeden Menschen in unseren westlichen Kulturen ein Thema. Muß es da ein explizit schwullesbisches Buch zu diesem Thema geben? Kimeron N. Hardins Antwort in "The Gay and Lesbian Self-Esteem Book" ist: Ja, denn die Selbstwertprobleme, mit denen sich Schwule und Lesben auseinandersetzen, sind oft durch spezifische gesellschaftliche Mechanismen bedingt. Darüber hinaus sei das Selbstwertgefühl von Schwulen und Lesben mehr als das von Heterosexuellen ständig unter Belagerung.

Ein gesundes Selbstwertgefühl kann, so Hardin, ganz wesentlich dazu beitragen, mit Beziehungen und Gefühlen konstruktiv umzugehen, das eigene Potential zu entfalten, selbstzerstörerisches Verhalten zu vermeiden, Belastungen auszuhalten sowie Entscheidungen zu treffen, die von realistischer Wahrnehmung, Selbstvertrauen und Autonomie statt vom Weg des geringsten Widerstandes, Ängsten oder verinnerlichten Zwängen geprägt sind. Es macht auch, so impliziert das Buch, resistenter gegen die spezifischen Belastungen, denen Lesben und Schwule in einer immer noch heterozentristischen 1 gesellschaftlichen Situation ausgesetzt sind. Diese Resistenz macht politische Aktion jedoch nicht unnötig, im Gegenteil: sie kann Ausdruck gesunden Selbstbewußtseins sein, ja sogar helfen, dieses erst herzustellen.

  1. Den Begriff "Heterozentrismus" prägt Hardin für das Verhalten der Mehrheitsgesellschaft, die nicht-heterosexuelle Lebensweisen nach Kräften ignoriert und nicht wahrnehmen will.

Gelesen: Birgit Neger, Moderne Hexen und Wicca. Aufzeichnungen über eine magische Lebenswelt von heute

Auf meinem Alltags-Allzweck-Blog ryuu.de hatte ich versprochen, daß ich meine Leseeindrücke von Birgit Negers "Moderne Hexen und Wicca: Aufzeichnungen über eine magische Lebenswelt von heute" zum besten gebe, wenn ich es ausgelesen habe.

Eine ausführliche Rezension, der ich mich anschließen kann, gibt es bereits auf der Seite der Nornirs Aett: Ein Buch, das eine Lücke schließt.

Hans Stucken: Das Seidhr Handbuch. Eine Einführung

Hamburg: Daniel Junker Verlag, 2006; ISBN: 3938432047

Hans Stucken will mit seinem Seidhr Handbuch einen Beitrag zu einer "gemeinschaftlichen kulturellen Entwicklung" auf dem Gebiet des Seidhr leisten. (1) Er hat eine angenehm und flüssig lesbare Überblicksarbeit geschrieben und leistet dabei eine relativ systematische und konsistente Begriffsklärung, die sich über das nordische Modell der Seele und die Kosmologie der Neun Welten erstreckt. Positiv fällt mir auch der Mangel an Synkretismus auf, der fast schon Purismus zu nennen ist; die Leserin wird hier nicht mit der so oft anzutreffenden Kreuzung mit anderen spirituellen Systemen (z.B. der Kabbala) behelligt.

Das Buch bleibt kurz und knackig – für meinen Geschmack allerdings zu kurz.

Raven Kaldera: Hermaphrodeities. The transgender spirituality workbook

Philadelphia Pa.: Xlibris Corp., 2001; ISBN: 1401027199

"Hermaphrodeities" ist eins der ganz seltenen Bücher zum Thema "transgender und Spiritualität". Über transgender, nicht schwullesbische Fragen; daß das zwei vollkommen verschiedene Paar Schuhe sind, stellt gleich das Vorwort klar. Es ist ein Buch vor allem für Menschen zwischen den Geschlechtern, aber auch wer sich eindeutig als männlich oder weiblich einordnet, kann daraus was mitnehmen.

Dieses Buch macht klar, daß es so viele Wege gibt, die althergebrachte männlich-weiblich-Dichotomie zu überschreiten, und so viele Arten, in denen sich Spiritualität, Geschlecht und Sexualität gegenseitig beeinflussen, daß es unmöglich ist, sie zu kategorisieren.

Christian de la Huerta: Coming Out Spiritually: The Next Step

Jeremy P. Tarcher, 1999, ISBN-10: 0874779669

Schwule, Lesben und Spiritualität? Lange war es undenkbar, das in einem Atemzug zu nennen. "Oh Gott, Religion! Teufelszeug, das uns Schwulen und Lesben immer Schuld und Ausgrenzung beschert.", zitiert die Siegessäule noch im Dezember 2006 - allerdings nicht unwidersprochen - die gängige Meinung ("Ich glaube schon", Siegessäule 12/2006, S. 13-21).

Christian de la Huerta befaßt sich unerschrocken trotzdem mit dem Thema. Er nimmt in der queer community einen Mangel wahr: “What is lacking in the queer community [...] is a real sense of self.” Dieser Mangel liegt für ihn im Verlust der Spiritualität begründet.

Angesichts der Verfolgung und Diskriminierung, die Schwule und Lesben durch etablierte Religionen erfahren haben und immer noch erfahren, sei Religion ein "turnoff" für viele.