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Schlagwort: kultur

Was verstehe ich eigentlich unter rassismuskritischem Heidentum?

Die Ereignisse vom 6. Januar in Washington, DC haben auch Heid_innen zu Statements veranlasst, hauptsächlich, weil ein prominenter Teilnehmer sehr auffällige germanische Symbole trug. Für mich waren diese Statements (bzw. teilweise auch mein Ungenügen daran) ein Anlass, noch einmal darüber nachzudenken: Was macht für mich eigentlich rassismuskritisches bzw. antirassistisches Heidentum aus? Nun hatte ich ein paar geschäftige Wochen in der Zwischenzeit, aber das Thema war mir zu wichtig, um meine Gedanken nicht in einen Blogpost zu gießen.

Minimalvoraussetzung war für mich schon immer: (Neu)Heidentum ist für alle da, die sich dafür interessieren – unabhängig von geographischer, ethnischer und kultureller Herkunft. Völkische Konzepte oder Ideen von Heidentum als “ethnischer Religion” sind für mich daher von vornherein indiskutabel. Den Mythos der geheimen ungebrochenen Tradition halte ich für genau das: einen Mythos. Aber wie sieht eine Praxis aus, die über dieses Minimum hinausgeht?

Meine katholische Umwelt und ich: Update und Reflexion

Vor etwa dreieinhalb Jahren bin ich von Freiburg in den Hochschwarzwald umgezogen. Und damit hat sich auch meine kulturelle Umwelt deutlich verändert; ich bekomme im Schwarzwald eine wesentlich stärker christlich – namentlich katholisch - geprägte Umwelt mit. Ich bin hier oben auch etwas stärker in meine Nachbarschaft eingebunden und habe tatsächlich mehr Freund_innen vor Ort als in Freiburg, was ich an sich nicht schlecht finde.

Ich habe seitdem ein stärkeres Bedürfnis, als Asatrú sichtbar zu sein. Ein Bedürfnis, das ziemlich unmöglich zu erfüllen scheint, weil meine Umwelt in weiten Teilen nicht mal weiß, was Asatrú ist. Ich habe in der Vorweihnachtszeit regelmäßig ein Gefühl, das ich „christianity overload“ nenne: über die Herzensfrau und ihre Schule komme ich mit dem üblichen Vorweihnachts-Feiern stärker in Berührung, und in meinem neuen Kammerchor (in dem ich seit 2017 singe) steht jedes Jahr mindestens ein Weihnachtskonzert auf dem Programm – fast immer in einem Kirchenraum, und immer mit einem mindestens teilweise geistlichen Programm.

Über den Chor kommen auch ab und zu Einladungen, Gottesdienste mitzugestalten.

Der Kern ist heil

OK, der Versuch einer Blog-Wiederbelebung ... ich habe aber auch etwas zu sagen, das ich nicht im Social Media-Strohfeuer verloren wissen will. Aber eins nach dem anderen...

### Der Aufhänger
Offenbar gibt es da ein feministisches Magazin, das sich vor kurzem bemüßigt fühlte, über Spiritualität (bzw. das, was landläufig so darunter verstanden wird) zu schreiben. Ich habe den Artikel nicht gelesen, weil ich aus den Verrissen von anderen weiß, dass ich mich da auch nur fürchterlich aufregen würde, und dafür ist meine Zeit gerade zu kostbar. Distelfliege hat [dazu gebloggt](https://distels.wordpress.com/2018/02/21/mein-heutiger-stand-zu-spiritualitat-magie-und-esoterik) und das rief bei mir ein paar Gedanken wach, die ich einmal gründlicher aufschreiben wollte.

### Die Kackscheiße
Dass Sexismus, Heteronormativität, Rassismus, Ableismus etc. in Spiri-Kontexten grassieren - da beißt die Maus keinen Faden ab. Das war ja einer der Impulse, aus denen heraus ich dieses Blog überhaupt angefangen habe. Und ja, ich bin's müde und leid. Vergiftet es mir mein spirituelles Tun? Nein. Aber es hat einen Einfluss auf das Wie, vor allem auf das Wie-mit-Anderen. Ich kann weder "not all Esos" sagen, noch kann ich mich und meine Praxis so sauber von "Esoterik" abgrenzen, wie ich manchmal gern würde.

Tee mit Milch, Teil II: Queer ist mehr als einfach LGBT.

In Teil I habe ich was darüber geschrieben, was dazu geführt hat, daß die Rede von männlichen und weiblichen Anteilen für mich unverdaulich und im spirituellen Kontext untauglich geworden ist. In diesem Teil will ich mich damit befassen, welche Auswirkungen das und meine Erfahrungen von Begehren auf mein Verständnis von *queer* haben.

*queer* heißt für mich: Das, was jenseits der heterosexuellen Matrix unterwegs ist; das, was ihre Gültigeit in Frage stellt. LGBT gehört dazu - und doch können sich LGBT-Leute auch affirmativ zur heteronormativen Matrix verhalten, meine ich.

Dazu muß ich zuerst den Begriff der heterosexuellen Matrix erläutern.

Tee mit Milch, Teil I: Über Feminität und die Rede von männlichen und weiblichen Anteilen

Ich lese gerade - mit dem Ziel einer Rezension - nochmal ein Buch, dem ich ausgesprochen ambivalent gegenüberstehe, nämlich Christopher Penzcaks [Gay Witchcraft](http://christopherpenczak.com/product/gay-witchcraft). Und dabei bin ich darauf gestoßen, daß ich eins klarkriegen will: Warum ich mich als queer verorte und das für mich nicht deckungsgleich mit „LGBT“ ist und schon gar nicht mit der in der Mainstream-Homo-Szene verbreiteten hegemonialen Position.

Penzcak vertritt die für mich problematische Ansicht, daß Homosexuelle einfach „eine andere Energie“ haben (S. XV), und daß jeder Mensch „männliche und weibliche Energien“ hat (S.4). Ich will jetzt noch nicht das ganze Buch rezensieren, aber das ist ein Punkt, an dem ich mal einhaken und meinen persönlichen Senf dazu loswerden will. Denn für mich persönlich taugt das mit der „männlichen“ und „weiblichen“ Energie einfach nicht (mehr) als Paradigma, und wenn das für manche Menschen taugt, so ist es doch *eine* Art (von vielen möglichen), die Welt zu interpretieren, aber keine universelle Wahrheit.

Von spirituell-kulturellen Brachen und der Reproduktion von Machtverhältnissen

Weil es bei der [Wurzelfrau](http://wurzelfrau.de/living/?p=692) gerade um Lücken und freigewordene Räume geht, will ich gerade mal ein paar Dinge aufschreiben, die mir durch den Kopf gehen.

Es ging in Wurzelfraus Artikel darum, daß ein paar spirituelle Projekte von früher nicht mehr sind, weil die Macherinnen (ja, alle weiblich) hinter den ursprünglichen Konzepten nicht mehr stehen, und um daraus resultierende Lücken, die neu gefüllt sein wollen.

Vielleicht ist das eine pessimistische Sichtweise, meine Beobachtung lehrt mich jedoch: Machtverhältnisse haben die Tendenz, sich zu reproduzieren - beziehungsweise: von uns allen gewohnheitsmäßig reproduziert zu werden - und freigewordene Räume gleich mit zu besetzen.