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Schlagwort: queer

Über Spiritualität reden unter LGBT\*IQ

Im Juni war ich auf dem Femcamp Wien und habe dort unter anderem eine kleine Session über Spritualität gehalten. Das war ziemlich awkward und war so nicht geplant, aber ich habe mich mehr oder weniger mit einer zusammengeschlossen, die aus dem Göttinnenspiri-Spektrum kam und darüber reden wollte. Die anderen Teilnehmenden hatten völlig andere (Nicht)zugänge zum Thema, so daß ich überraschend viel Zeit damit verbrachte, mich zu erklären. Zeit, die dann fürs Reden über Strategien nicht vorhanden war.

Das Ding, über das ich gern geredet hätte: Es gab mal eine feministische Spiritualität in der Frauenbewegung; wie könnte emanzipatorische Spiritualität heute aussehen?

Feministische Spiritualität, Göttinnenspiritualität, Frauenspiritalität: Wo ist sie geblieben?

Dieser Artikel sollte ursprünglich ein Kommentar zu einem Artikel von Anufa im Wurzelwerk werden.

Tenor von Anufas Artikel war, daß die Rubrik Weibercraft im WuWe brachliegt und sie sich fragt, ob einfach kein Interesse mehr besteht, aber gleichzeitig beobachtet, daß es Göttinnenkonferenzen etc. nach wie vor gibt.

Da er ziemlich lang wurde, poste ich ihn hier – das ist mein Senf zu besagtem Artikel aus meiner queerfeministischen/polytheistisch-animistischen Sichtweise:

Ich habe Ende 2012 mal im altgedienten Lesbenarchiv Spinnboden in Berlin recherchiert. Da stellte ich etwas fest: Die meisten Bücher im Bestand waren aus den 80ern. Wenige Anfang der 90er und später erschienen. Manche dieser Bücher blätterte ich durch und hatte den Eindruck: Die sind progressiver als vieles, was heute als „göttinnenspirituell“ vermarktet wird.

Das bestätigte einen Eindruck, den Distelfliege hier einmal wunderbar formuliert hat:

Mein Eindruck ist es, dass die moderne Hexenszene und die naturspirituelle Szene und die Frauenspiri-Szene insofern rückständig sind (und vielleicht auch schon vor Jahren den Anschluss an aktuelle feministische Diskussionen verloren haben), dass kaum irgendwo erkennbar ist, dass sich eine Gruppe mit dieser Frage [nach Inklusion von trans*Personen, thursa] auseinandergesetzt hat. Es ist auch kaum zu verzeichnen, jedenfalls dort wo ich so mich umtue, dass in der Spiri-Frauen-Szene eine ähnliche Bereicherung durch vielfältigste Entwürfe und Politiken von Queer-Seite stattfand wie in der feministischen Ecke.

Ein Eindruck, den ich nach ein paar Jahren in Göttinnenspiri-Kreisen samt einem für mich welterschütternden Konflikt nur teilen konnte. Inzwischen habe ich mich zurückgezogen in ein nicht ganz mainstreamiges Asatrú, und ich habe wunderbare Rituale mit zwei kleinen queeren 1 Ritualkreisen gefeiert.

  1. Wenn ich queer sage, dann meine ich eine Haltung, die von einem grundsätzlichen Konstruktcharakter von Geschlecht und sexueller Orientierung ausgeht und das Ziel verfolgt, die Spielregeln, die dazu führen, daß Geschlecht und sexuelle Orientierung heute so und nicht anders konstruiert werden, zu subvertieren.

Tee mit Milch, Teil III: Ein paar bescheidene Wünsche

Welche Wünsche ergeben sich aus den ersten beiden Teilen dieser Serie? Mir fällt da eine Menge ein:

Ich möchte, daß es endlich aufhört, daß eine weiß, männlich und middle-class dominierte schwule Subkultur die Definitionshoheit über die Belange aller ausübt, die irgendwie jenseits der heterosexuellen Matrix unterwegs sind.

Ich möchte, daß die Legende vom „Dritten Geschlecht“ endlich nicht mehr erzählt wird, oder nicht mehr in dieser Weise, die einfach alle Unterschiede zwischen gender variants, Homo- und Bisexuellen und trans* plattbügelt. Sie war als Legitimationsstrategie im 19. Jh. brauchbar. Im 21. Jh. haben queers bessere Erklärungsmodelle.

Ich möchte, daß Lesben, Schwule und Bisexuelle nicht mehr mit trans* in einen Topf geworfen werden, denn wie Raven Kaldera schreibt:

Denn sexuelle Orientierung dreht sich um genau das – wen du sexuell begehrst – und welche Auswirkungen das auf dein Leben und deine Spiritualität hat. Vertu dich nicht: Es hat auswirkungen; Sexualität ist eine der stärksten Kräfte im Universum. „Drittes Geschlecht“ zu sein, ist etwas ganz anderes. Du kannst dem dritten Geschlecht zugehörig sein und Männer, Frauen, andere third gender people, alle von den genannten oder gar niemanden begehren und immer noch third gender sein. Du kannst in einem Vakuum mit überhaupt keinen Menschen in der Existenz eine Person des dritten Geschlechts sein. Es geht darum, wer du bist, nicht was du bist oder mit wem du zusammen sein willst. Beides sollte respektiert werden, aber eins sollte nicht mit dem anderen verwechselt werden, vor allem nicht von Gelehrten, die es eigentlich besser wissen sollten. 1

(Kalderas Gebrauch des Begriffs „Drittes Geschlecht“ mit Bezug auf transgender finde ich hier ein bißchen problematisch, aber er nivelliert sich dadurch, daß in seinem Buch eine Vielzahl von trans*-Identitäten zu Wort kommen.)

Ich möchte, daß endlich auch respektiert wird, daß es für den Zusammenhang zwischen gender-Ausdruck und Begehren keine Zwangsläufigkeiten gibt.

  1. „But sexual preference is just about that – who you desire sexually – and what ramifications that has on your life and spirituality. Make no mistake, it does have ramifications; sexuality is one of the strongest forces in the universe. Being third gender is something else again.You can be third gender and desire men, women, other third gender people, all of the above, or nobody at all, and still be third gender. You can be third gender in vacuum with no other human beings in existence. It’s about who you are, not what you are or who you would be with. Both should be respected, but one should not be confused with the other, especially by scholars who ought to know better.“ – Kaldera, Raven. Hermaphrodeities: The transgender spirituality workbook. Philadelphia Pa.: Xlibris Corp., 2001, S. 9-10

Tee mit Milch, Teil II: Queer ist mehr als einfach LGBT.

In Teil I habe ich was darüber geschrieben, was dazu geführt hat, daß die Rede von männlichen und weiblichen Anteilen für mich unverdaulich und im spirituellen Kontext untauglich geworden ist. In diesem Teil will ich mich damit befassen, welche Auswirkungen das und meine Erfahrungen von Begehren auf mein Verständnis von queer haben.

queer heißt für mich: Das, was jenseits der heterosexuellen Matrix unterwegs ist; das, was ihre Gültigeit in Frage stellt. LGBT gehört dazu – und doch können sich LGBT-Leute auch affirmativ zur heteronormativen Matrix verhalten, meine ich.

Dazu muß ich zuerst den Begriff der heterosexuellen Matrix erläutern.

Tee mit Milch, Teil I: Über Feminität und die Rede von männlichen und weiblichen Anteilen

Ich lese gerade – mit dem Ziel einer Rezension – nochmal ein Buch, dem ich ausgesprochen ambivalent gegenüberstehe, nämlich Christopher Penzcaks Gay Witchcraft. Und dabei bin ich darauf gestoßen, daß ich eins klarkriegen will: Warum ich mich als queer verorte und das für mich nicht deckungsgleich mit „LGBT“ ist und schon gar nicht mit der in der Mainstream-Homo-Szene verbreiteten hegemonialen Position.

Penzcak vertritt die für mich problematische Ansicht, daß Homosexuelle einfach „eine andere Energie“ haben (S. XV), und daß jeder Mensch „männliche und weibliche Energien“ hat (S.4). Ich will jetzt noch nicht das ganze Buch rezensieren, aber das ist ein Punkt, an dem ich mal einhaken und meinen persönlichen Senf dazu loswerden will. Denn für mich persönlich taugt das mit der „männlichen“ und „weiblichen“ Energie einfach nicht (mehr) als Paradigma, und wenn das für manche Menschen taugt, so ist es doch eine Art (von vielen möglichen), die Welt zu interpretieren, aber keine universelle Wahrheit.

riesencast 008: Diversität in heidnischen Kreisen (mit Distelfliege)

Ich habe mich vorgestern abend mit Distel per skype gute zwei Stunden über Heidentum und heidnische Zusammenhänge von Göttinnenspiritualität über Frauengruppen bis Wicca und Asatrú unterhalten.

Shownotes nach dem Link:

Glossar: Binäres Geschlechtsverständnis und Heteronormativität

Neulich warf ich in einer Debatte um klischeehafte Göttinnenbilder (die meist nackt, weiß, jung, schlank und gängigen Schönheitsidealen voll entsprechend und sexualisiert dargestellt werden) die Begriffe Geschlechterbinarität und Heteronormativität in den Raum und wurde prompt gefragt, was das denn sei. Ich habe mir ein bißchen Zeit ausgebeten, weil ich diese Begriffe nicht in einem mal eben hingeworfenen Facebook-Kommentar erklären kann und weil ich das auch nicht immer von vorne machen mag.1

Es ist mir wichtig, zu betonen, daß keins dieser Denkmuster, die ich unten beschreibe, einer bösen Absicht entspringen müssen. Sie sind inhärenter Bestandteil unserer Kultur und so tief darin verwurzelt, daß sie oft das unhinterfragte Fundament des Denkens über Geschlechter bilden.

Das binäre Verständnis von Geschlecht

Ich fange an mit Geschlechterbinarität.

Binär ist ein System, in dem es nur zwei genau voneinander unterschiedene Zustände gibt.

  1. Die Erfahrung sagt zwar, daß ich oft genug mit dem Erklären von Begriffen und Zusammenhängen von Ask und Embla neu anfange, aber ich kann ja wenigstens mal einem Teil dessen entgegenwirken, indem ich so einen Blogpost schreibe, auf den ich verweisen kann.

Zwischen allen Stühlen II – Queerness, Religion und ich

Es gilt dieselbe Vorbemerkung wie für Teil I.

Das zweite Dilemma ist eigentlich gar keins. Es ist etwas, das mir vor allem in queeren und feministischen Zusammenhängen begegnet ist: wenn ich mit Menschen auf das Thema Religion zu sprechen komme, erzählen mir nicht wenige, die irgendwie religiös erzogen worden sind, als wie einengend bis traumatisch sie religiöse Erziehung erlebt haben. Das ist etwas, das ich erst ganz langsam zu verstehen lernte.

Ich selbst bin ohne systematische „religiöse Erziehung“ groß geworden und höchstens durch die (New Age-geprägte) Praxis meiner Eltern mitgeprägt worden.

riesencast Episode 5 – Heidentum Q & A, Teil 2

So, hier ist die lang versprochene zweite Frage-Antwort-Folge. Ich rede über große Rosinen in meinem Sack, ein bißchen über mein Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Spiritualität und über Vorstellungen vom Göttlichen, bevor es dann nochmal richtig zur Sache geht zum Thema Aneignung von nicht-europäischen Kulturen und Alternativen zum geschlechter-binären Götterbild.

Literaturempfehlungen und Links gibt’s nach dem Klick.

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